Strompreisexplosion durch Marktfehler: Lehren aus dem Decoupling
In Juni führten technische Probleme an der Strombörse EPEX kurzzeitig zu einem drastischen Anstieg der Strompreise. Insbesondere für Verbraucher mit dynamischen Stromtarifen vervielfachten sich die Kosten zeitweise erheblich. Obwohl der finanzielle Schaden begrenzt blieb besteht die Notwendigkeit, wichtige Lehren aus diesem Vorfall zu ziehen.
Ursachen des Preisschocks an der EPEX Spot Börse
EPEX Spot, einer der zentralen Handelsplätze für Strom in Mitteleuropa, berechnete die Preise für die Tageslieferungen fälschlicherweise, als ob kein Stromhandel zwischen den Ländern stattfinden würde. Diese sogenannte “Entkopplung” der Märkte führte zu extrem unterschiedlichen Preisen in Europa, wobei Deutschland besonders betroffen war und zeitweise sehr hohe Strompreise verzeichnete.
Funktionsweise des europäischen Strommarktes
Der europäische Strommarkt basiert auf einem komplexen System, in dem Algorithmen auf digitalen Handelsplattformen Angebot und Nachfrage abgleichen und daraufhin Preise festlegen. Zunächst erfolgt dies für einzelne Länder, bevor der Algorithmus die Im- und Exportmengen zwischen den Ländern berechnet.
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In normalen Zeiten führen diese Berechnungen zu harmonisierten Strompreisen über die Ländergrenzen hinweg. Engpässe in den grenzüberschreitenden Transportkapazitäten können jedoch zu unterschiedlichen Preisen in den einzelnen Ländern führen. Letzte Woche wurde der zweite Berechnungsschritt, die Im- und Exportmengen, ausgelassen, was zur Marktentkopplung führte.
Auswirkungen auf Verbraucher mit dynamischen Stromtarifen
Viele Unternehmen, die dynamische Stromtarife anbieten, handeln an der EPEX Spot. Diese Tarife passen die Strompreise für Verbraucher stündlich an die Entwicklungen eines Referenz-Handelsplatzes an. Aufgrund des Fehlers sahen einige Stromkunden in ihren Apps an diesem Junitag zwischen sechs und sieben Uhr einen Preis von 2,30 Euro pro Kilowattstunde.
Wiederholungsgefahr und bisherige Ausfälle
Der aufgetretene Fehler war ein seltenes Ereignis. Die Strombörse selbst erinnert sich nur an drei Vorfälle in den letzten 24 Jahren, in denen der Handelsalgorithmus der EPEX Spot oder ihrer Vorgängergesellschaften versagte.
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Diese geringe Ausfallquote minimiert die Gefahr einer Wiederholung. Allerdings zeigte dieser Vorfall, dass selbst ausgeklügelte Systeme nicht vollständig fehlerfrei sind.
Auswirkungen auf industrielle Großverbraucher
Für Privatkunden mit dynamischen Stromtarifen führte der Fehler höchstens zu einem geringen finanziellen Verlust. Anders sieht es jedoch für industrielle Großverbraucher aus. Betriebe, die ihren Strom direkt an der Börse einkaufen oder über Dienstleister beziehen, waren teilweise stark betroffen. Beispielsweise musste ein Stahlwerk die Produktion für einen Tag einstellen, weil die Strompreise untragbar hoch waren.
Abhängigkeit von Im- und Exportkapazitäten
Obwohl der Vorfall begrenzt blieb, verdeutlicht er die Abhängigkeit des deutschen Strommarktes von den Im- und Exportkapazitäten zu den Nachbarländern. Langfristige Szenarien prognostizieren, dass solche Schwankungen in Zukunft häufiger auftreten könnten, besonders wenn der Anteil fluktuierender erneuerbarer Energien weiter wächst, ohne dass entsprechende Ausgleichskapazitäten geschaffen werden.
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Ist dieser Fehler möglicherweise wie eine Zeitreise in zukünftige Szenarien? Klar ist, dass erneuerbare Energien den Strommix in Europa künftig dominieren werden. Aber gleichzeitig gibt es noch keine Absicherung durch Backupkraftwerke oder erhöhte Exportkapazitäten, die das System unterstützen.
Rolle dynamischer Stromtarife
Dynamische Stromtarife könnten eine Antwort auf die Schwankungen im Strompreis sein. Sie motivieren Verbraucher dazu, ihren Stromverbrauch in Zeiten hoher Erzeugung durch Sonnen- und Windenergie zu verlagern. Ein Beispiel ist die Waschmaschine, die per Timer mittags statt abends läuft. Obwohl dieser Effekt begrenzt ist, könnte er helfen, Preisspitzen zu glätten. Es gibt ein hohes Potenzial dieser verschiebbaren Lasten von etwa zehn bis 15 Prozent der die gesamte Stromnachfrage beschränkt, da viele industrielle Prozesse nicht flexibel genug sein können.
Notwendigkeit von Speichersystemen
Um zukünftige Preisausschläge zu vermeiden, bedarf es effizienter Speichersysteme. Dazu gehören Batteriespeicher und Elektrolyseanlagen, die Wasserstoff erzeugen und diesen bei Bedarf wieder in Strom umwandeln können. Diese Technologien könnten dazu beitragen, überschüssigen Strom zu günstigen Zeiten zu speichern und bei hohen Preisen ins Netz einzuspeisen. Auch das dynamische Aufladen von Elektrofahrzeugen, die eingebunden in das Stromsystem sind könnten eine Sicherheitsstruktur bilden.
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Langfristig könnte so die Hälfte der Stromnachfrage dynamisch auf Preisschwankungen reagieren können.
Fazit: Eine europäische Energiegemeinschaft
Die Entkoppelung der Märkte letzte Woche hat gezeigt, wie stark die Energiewende von einem integrierten europäischen Strommarkt abhängt. Deutschland ist auf den Stromhandel mit seinen Nachbarländern angewiesen, um Schwankungen auszugleichen. Umgekehrt profitieren auch die Nachbarländer von den deutschen Strompreisen. Trotz der gegenseitigen Abhängigkeit wäre Deutschland physisch in der Lage, ohne Im- und Export durchzukommen, jedoch auf kommerzieller Ebene hätte das höhere Preise und stärkere Ausschläge zur Folge.