Die Preisbildung an öffentlichen Ladestationen: Eine detaillierte Analyse mit Rechenbeispiel
Das Laden eines Elektrofahrzeugs (EV) an öffentlichen Ladestationen kann überraschend teuer sein. Viele Fahrer sind von den Preisen an öffentlichen Ladestationen schockiert, besonders im Vergleich zu den relativ niedrigen Stromkosten, die sie von zu Hause kennen. Doch was steckt hinter diesen Preisen? An einen Beispiel lässt sich gut erklären, wie sich ein Ladepreis zusammensetzt, welche Preiskomponenten Einfluss auf den Endpreis pro Kilowattstunde Strom haben kann.
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Dadurch kann eine Preisbildung nachvollziehbarer gemacht werden. Auch die grundlegenden Betriebskosten der Ladestationsbetreiber und die gesetzliche Regelung der Eichpflicht werden wir dabei berücksichtigen.
Die Zusammensetzung der Ladepreise: Mehr als nur Stromkosten
Beim Laden an einer öffentlichen Ladestation setzen sich die Preise aus verschiedenen Kostenkomponenten zusammen. Diese umfassen nicht nur die reinen Stromkosten, sondern auch eine Vielzahl anderer Gebühren, die den Endpreis beeinflussen.
Stromkosten: Der offensichtlichste Bestandteil des Ladepreises sind die Stromkosten. Diese hängen von den lokalen Tarifen ab und beinhalten neben dem reinen Energiepreis auch Netzentgelte, Umlagen und Steuern. In unserem Beispiel nehmen wir einen durchschnittlichen Strompreis von 0,30 € pro kWh an. Diese Kosten variieren je nach Region, Anbieter und der Nutzung von erneuerbaren Energien.
Grundkosten des Ladestationsbetreibers (CPO): Ladestationsbetreiber (CPOs) müssen eine Reihe von Grundkosten decken, die in die Preisgestaltung einfließen:
– Anschaffung und Installation: Die Kosten für die Anschaffung einer AC-Ladestation können je nach Leistung, Standort und spezifischen Anforderungen mehrere tausend Euro betragen. Die Installation, einschließlich des Netzanschlusses, verursacht weitere erhebliche Kosten.
– Betrieb und Wartung: Regelmäßige Wartung, Reparaturen und Betriebskosten wie die Anbindung an das Stromnetz und Versicherungen schlagen kontinuierlich zu Buche.
– Standortmiete: Betreiber müssen oft Miete für die Standorte der Ladestationen zahlen, insbesondere in städtischen Gebieten oder an stark frequentierten Orten wie Einkaufszentren oder Parkplätzen.
Diese Kosten müssen die Betreiber über die Nutzungsgebühren amortisieren, was einen wesentlichen Beitrag zu den höheren Ladepreisen leistet.
Backend- und IT-Systeme: Hinter jeder Ladestation steht ein komplexes Backend-System, das die Kommunikation zwischen der Station und den Nutzern verwaltet. Diese Systeme sorgen für:
– Überwachung und Steuerung der Ladeprozesse.
– Abrechnung der Ladevorgänge und die Integration mit unterschiedlichen Bezahlsystemen.
– Datenmanagement und Sicherheit, um die Integrität der Abrechnungsdaten und den Datenschutz zu gewährleisten.
Diese Systeme verursachen sowohl initiale Investitionskosten als auch laufende Betriebskosten, die ebenfalls auf die Nutzer umgelegt werden.
Roaming-Gebühren: Viele Nutzer greifen auf Roaming-Dienste zurück, um Zugang zu Ladestationen anderer Anbieter zu erhalten.
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Für diese Interoperabilität fallen zusätzliche Gebühren an, die zwischen den verschiedenen Anbietern ausgehandelt werden. Diese Roaming-Gebühren werden oft als Prozentsatz des geladenen Stroms berechnet und können den Endpreis erheblich beeinflussen.
– Transaktionskosten: Jeder Ladevorgang löst eine Transaktion aus, die Kosten verursacht. Diese umfassen:
– Zahlungsabwicklungsgebühren: Diese entstehen durch die Nutzung von Kreditkarten, Apps oder anderen Bezahlsystemen und werden entweder pauschal oder prozentual auf den Preis aufgeschlagen.
– Verwaltungskosten: Diese beinhalten die Kosten für die Verarbeitung und Speicherung der Transaktionsdaten sowie die notwendigen Sicherheitsmaßnahmen.
– Eichrechtliche Anforderungen: Öffentliche Ladevorgänge unterliegen in Deutschland dem Eichrecht. Das bedeutet, dass die Messsysteme, die den geladenen Strom erfassen, geeicht sein müssen, um die Genauigkeit und Transparenz der Abrechnung zu gewährleisten.
Diese Vorschrift soll sicherstellen, dass Verbraucher nur für die tatsächlich geladene Energie bezahlen. Die Umsetzung dieser Anforderungen bringt zusätzliche Kosten für die Betreiber mit sich, die wiederum an die Nutzer weitergegeben werden.
Rechenbeispiel: Ladevorgang an einer 22-kW-AC-Ladestation
Um die oben genannten Kosten greifbarer zu machen, betrachten wir ein konkretes Beispiel: Sie laden Ihr Elektrofahrzeug an einer 22-kW-AC-Ladestation für eine Stunde mit einer Roaming-Ladekarte.
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Dabei werden etwa 22 kWh Energie geladen. Welche Kosten entstehen dabei, und wie setzen sie sich zusammen?
Berechnung der Kosten:
Stromkosten:
Durchschnittlicher Strompreis: 0,30 € pro kWh
Kosten für 22 kWh: 22 kWh * 0,30 €/kWh = 6,60 €
Ladestationsbetreiber-Gebühren:
Der Betreiber erhebt eine Gebühr, um seine Grundkosten zu decken. Diese kann als Pauschale oder pro Minute abgerechnet werden. Nehmen wir eine Gebühr von 0,10 € pro Minute an.
Kosten für 60 Minuten: 60 Min * 0,10 €/Min = 6,00 €
Roaming-Gebühren:
Roaming-Gebühr: In diesem Beispiel beträgt die Roaming-Gebühr 20 % des Strompreises.
Roaming-Kosten: 6,60 € * 0,20 = 1,32 €
Transaktionskosten:
Zahlungsgebühr: Eine pauschale Gebühr von 0,50 € pro Transaktion.
Eichrechtliche Zusatzkosten:
Eichrechtliche Aufschläge: Da die Ladestation eichrechtlich konform sein muss, entstehen zusätzliche Kosten. Nehmen wir an, diese belaufen sich auf etwa 0,05 € pro kWh.
Kosten: 22 kWh * 0,05 €/kWh = 1,10 €
Gesamtkosten:
Gesamtkosten: 6,60 € (Strom) + 6,00 € (Betreibergebühr) + 1,32 € (Roaming) + 0,50 € (Transaktion) + 1,10 € (Eichrecht) = 15,52 €
Für eine Stunde Laden würden Sie in diesem Beispiel 15,52 € zahlen, was einem Preis von etwa 0,71 € pro kWh entspricht. Dieser Betrag liegt deutlich über dem reinen Strompreis und zeigt, wie die verschiedenen Kostenfaktoren den Endpreis beeinflussen.
Ist eine Ad-hoc-Zahlung mit Kreditkarte günstiger?
Viele Nutzer fragen sich, ob es günstiger ist, anstatt einer Roaming-Ladekarte direkt per Kreditkarte zu zahlen. Die Antwort hängt von den spezifischen Gebühren und dem Anbieter ab.
Vorteile der Ad-hoc-Zahlung:
Keine Roaming-Gebühren: Beim direkten Bezahlen fallen keine zusätzlichen Roaming-Gebühren an, die den Preis erhöhen.
Transparenz: Die Kosten sind meist klar ersichtlich und es gibt keine versteckten Gebühren.
Nachteile der Ad-hoc-Zahlung:
Eingeschränkte Verfügbarkeit: Nicht alle Ladestationen bieten die Möglichkeit der direkten Zahlung per Kreditkarte an.
Mögliche höhere Grundgebühren: Einige Betreiber erheben bei Ad-hoc-Zahlungen höhere Grundgebühren, um die fehlenden Roaming-Einnahmen auszugleichen.
Im Vergleich zur Roaming-Ladekarte kann die Ad-hoc-Zahlung günstiger sein, insbesondere wenn die Roaming-Gebühren hoch sind. Jedoch hängt dies stark vom spezifischen Betreiber und dessen Gebührenstruktur ab.
Fazit: Der wahre Preis des Ladens an öffentlichen Stationen
Die Preise für das Laden an öffentlichen Ladestationen sind das Ergebnis eines komplexen Zusammenspiels verschiedener Kostenfaktoren. Neben den reinen Stromkosten fallen auch Betreibergebühren, IT- und Backend-Kosten, Roaming-Gebühren, Transaktionskosten und zusätzliche Aufschläge aufgrund der Eichpflicht an. Diese vielfältigen Kosten treiben den Preis pro kWh oft deutlich in die Höhe.
Für den Endverbraucher ist es entscheidend, die verschiedenen Kostenbestandteile zu verstehen und die verschiedenen Zahlungsoptionen zu vergleichen. Während Roaming-Ladekarten bequem sind, können sie aufgrund der zusätzlichen Gebühren teurer sein. Eine Ad-hoc-Zahlung mit Kreditkarte könnte in manchen Fällen die günstigere Option sein, erfordert jedoch eine gründliche Prüfung der angebotenen Tarife. In jedem Fall bleibt es wichtig, sich bewusst mit den verschiedenen Preisstrukturen auseinanderzusetzen und bei der Wahl der Ladestation und der Zahlungsmethode genau hinzusehen.