Die Sache mit dem Aufladen
Die derzeitigen Herausforderungen an öffentlichen Ladestationen, insbesondere die hohen Strompreise, stellen ein erhebliches Problem für Elektroautofahrer dar. Ein möglicher Ausweg könnte das Ad-hoc-Laden ohne Vertragsbindung sein, das durch die Alternative Fuels Infrastructure Regulation (AFIR) maßgeblich beeinflusst wird. Diese Veränderung könnte die Ladeinfrastruktur nachhaltig transformieren und die Preisgestaltung transparenter und kundenfreundlicher gestalten.
Die aktuelle Situation an öffentlichen Ladesäulen
Öffentliche Ladestationen sind für ihre hohen Strompreise bekannt. Ein aktuelles Beispiel sind die Tarife von ADAC e-charge, wo die Kilowattstunde bei Aral Pulse ab dem 1. Oktober 57 Cent kostet und bei anderen Charge Point Operators (CPOs) sogar 75 Cent erreicht.
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Diese als „Wucherpreise“ bezeichneten Kosten haben bereits Proteste ausgelöst. Die AFIR könnte ab 2025 eine signifikante Entlastung bringen, indem das Ad-hoc-Laden zur günstigen Alternative des Roamings wird.
Roaming und seine Probleme
Roaming ermöglichte es ursprünglich, mit einem einzigen Vertrag bei verschiedenen Anbietern zu laden. Dieses Konzept wurde jedoch durch E-Mobility Provider (EMPs) untergraben, die Kunden durch Grundgebühren binden und hohe Preise bei anderen CPOs verlangen. Beispielsweise bietet EnBW im Vielfahrertarif „L“ bei einer Grundgebühr von 17,99 Euro einen Preis von 39 Cent pro kWh an eigenen Stationen, während bei anderen CPOs bis zu 89 Cent pro kWh verlangt werden. Diese Praxis erhöht die Kosten für Elektroautofahrer und schafft Unmut.
Vermeidung von Oligopolen
Johannes Pallasch von der Nationalen Leitstelle Ladeinfrastruktur betont die Notwendigkeit eines Level Playing Fields, um Oligopole zu vermeiden. Die AFIR könnte durch eine höhere Preistransparenz sowohl beim punktuellen als auch beim vertragsbasierten Laden zu einer Verbesserung führen. Aktuell sind die Preise im B2B-Geschäft oft an die teuren Ad-hoc-Tarife gekoppelt, die von einigen CPOs künstlich hochgehalten werden.
AFIR und die Einführung von Bezahlterminals
Die AFIR verlangt die Installation von Payment-Terminals an neuen DC-Ladepunkten mit mindestens 50 kW Leistung seit dem 13. April 2024. Ab dem 1. Januar 2027 gilt dies auch für bestehende Ladesäulen entlang der wichtigsten europäischen Verkehrsrouten.
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An AC-Säulen reicht ein QR-Code zur Freischaltung. Diese Regelung verursacht zunächst Kosten für die Betreiber, bietet den Nutzern jedoch den Vorteil, ohne Vertrag und direkt mit gängigen Karten bezahlen zu können.
Vorteile des Ad-hoc-Ladens
Die Einführung von Bezahlterminals könnte das Ad-hoc-Laden zu einer preisgünstigen und attraktiven Alternative zum vertragsgebundenen Roaming machen. Der Nutzer muss keinen Vertrag mehr abschließen und kann direkt vor Ort den benötigten Strom beziehen. Dies könnte die derzeit hohen Kosten für das Ad-hoc-Laden reduzieren und eine wettbewerbsfähige Option für Elektroautofahrer darstellen.
Innovative Lösungen von ev-pay
Das Unternehmen ev-pay hat auf der Messe Power2Drive gezeigt, wie Ad-hoc-Laden effizienter und kostengünstiger gestaltet werden kann. Durch die Verwendung ihrer Software können Payment-Terminals eichrechtskonform und backendneutral betrieben werden.
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Dies bedeutet, dass die Betreiber die vielen Zwischenverdiener, wie die sogenannten CPO-Aggregatoren, umgehen können. Das Ergebnis ist eine höhere Marge für den Betreiber und ein besserer Preis für den Endkunden. Eine dynamische Preisgestaltung, abhängig vom Börsenstrompreis, wie bei Tesla, ist ebenfalls möglich.
Discounter als Vorreiter: Das Beispiel von Aldi
Aldi Süd hat an mehr als 550 Filialen Ladesäulen installiert, wo die Kilowattstunde beim DC-Laden 39 Cent und beim AC-Laden 29 Cent kostet – ohne Grundgebühr und Vertrag. Aldi Nord plant ebenfalls den Ausbau der Ladeinfrastruktur an seinen 2200 Märkten.
Diese Initiativen zeigen, dass Discounter eine wichtige Rolle im Ausbau der Ladeinfrastruktur spielen und Elektroautofahrern kostengünstige und zugängliche Lademöglichkeiten bieten können.
Potenzielle Marktveränderungen durch den Direktverkauf
Sollte sich der Direktverkauf von Strom, wie von ev-pay oder Aldi Süd praktiziert, durchsetzen, könnten Elektroautofahrer erheblich profitieren. Ohne Zwischenhändler und zusätzliche Gebühren könnten die Preise für das Laden deutlich sinken. Dies würde nicht nur die Attraktivität des Ad-hoc-Ladens erhöhen, sondern auch den Wettbewerb zwischen den Anbietern fördern, was zu insgesamt niedrigeren Preisen führen könnte.
Die Rolle der EU-Wettbewerbskommission
Die EU-Wettbewerbskommission könnte eine entscheidende Rolle bei der Überwachung und Regulierung des Marktes spielen. Derzeit gibt es Hinweise darauf, dass die Kommission auf die Marktverzerrungen in Deutschland aufmerksam geworden ist.
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Da die neue Kommission nach den jüngsten Wahlen zum Europäischen Parlament noch nicht vollständig handlungsfähig ist, könnte es noch eine Weile dauern, bis konkrete Maßnahmen ergriffen werden. Dennoch ist es wahrscheinlich, dass zukünftige Initiativen der Kommission dazu beitragen werden, den Wettbewerb zu fördern und die Marktbedingungen für Elektroautofahrer zu verbessern.
Fazit
Das Ad-hoc-Laden ohne Vertragsbindung könnte eine Lösung für die derzeit überhöhten Strompreise an öffentlichen Ladesäulen darstellen. Durch die Einführung von Payment-Terminals und den Wegfall von Zwischenverdienern könnten die Kosten für Elektroautofahrer deutlich gesenkt werden. Die Umsetzung der AFIR und die Aktivitäten der EU-Wettbewerbskommission werden entscheidend sein, um diesen Wandel zu ermöglichen.
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