Roaminggebühren in der Ladeinfrastruktur für Elektrofahrzeuge – Kosten, Vorteile und Perspektiven
Roaminggebühren sind ein bekanntes Ärgernis für Elektroautofahrer, da sie das Laden an Ladesäulen fremder Anbieter verteuern. Doch warum gibt es diese Gebühren, wer profitiert davon, und wie könnten sie in Zukunft gesenkt oder sogar abgeschafft werden? Dieser Beitrag beleuchtet die Entstehung der Roamingkosten, die technischen und wirtschaftlichen Hintergründe sowie mögliche Entwicklungen, die eine kostengünstigere und effizientere Ladeinfrastruktur fördern könnten.
Was ist Roaming in der Ladeinfrastruktur?
Roaming in der Ladeinfrastruktur bedeutet, dass Elektroautofahrer Ladesäulen anderer Anbieter nutzen können, ohne dort direkt registriert zu sein. Dies wird durch zentrale Roaming-Plattformen wie Hubject, GIREVE oder e-clearing.netermöglicht, die als Schnittstelle zwischen Ladeinfrastrukturbetreibern (Charge Point Operators, CPOs) und Mobilitätsdienstleistern (E-Mobility Service Providers, EMPs) dienen.
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Dank dieser Plattformen genügt dem Fahrer eine einzige App oder RFID-Karte seines EMPs, um Zugang zu vielen Ladepunkten unterschiedlicher Betreiber zu erhalten. Technisch betrachtet ist dies ähnlich wie das Mobilfunk-Roaming, bei dem Nutzer über ihren Mobilfunkanbieter fremde Netze verwenden können
Vergleich zum Mobilfunk-Roaming: Warum existieren Gebühren?
Im Gegensatz zum Mobilfunk, wo Roaminggebühren innerhalb der EU seit 2017 entfallen, bestehen in der Ladeinfrastruktur weiterhin Roamingkosten. Dies liegt an fehlenden einheitlichen Regelungen und den komplexen technischen Anforderungen: Ladepunkte müssen nicht nur Daten, sondern auch Energie bereitstellen.
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Im Mobilfunkbereich wurden Roaminggebühren durch gesetzliche Maßnahmen abgeschafft, was eine europaweite Harmonisierung ermöglichte. Für die Ladeinfrastruktur fehlt diese Struktur bisher, weshalb Roaminggebühren weiterhin bestehen.
Entstehung von Roaminggebühren: Welche Kostenfaktoren spielen eine Rolle?
Die Roaminggebühren setzen sich aus mehreren Faktoren zusammen, die jeden Ladevorgang teurer machen, wenn Nutzer an einer Fremdanbieter-Ladesäule laden:
Verbindungskosten der Ladepunktbetreiber (CPOs): CPOs erheben eine Grundgebühr für die Nutzung ihrer Infrastruktur, um die Wartungs- und Betriebskosten der Ladesäulen zu decken. Diese Kosten variieren je nach Anbieter und Standort.
Verwaltungskosten der Mobilitätsdienstleister (EMPs): Der EMP des Nutzers (z. B. EnBW, Octopus Electroverse) übernimmt die Verwaltung und Abrechnung des Ladevorgangs. Hierfür entstehen Verwaltungskosten für Authentifizierung, Datenübermittlung und Abrechnung in Echtzeit, die im Durchschnitt 3 bis 5 Cent pro kWh ausmachen.
Plattformgebühren für den Roaming-Dienst: Die Roaming-Plattformen wie Hubject oder GIREVE stellen die technische Infrastruktur bereit, die für die Kommunikation und Abrechnung zwischen CPOs und EMPs notwendig ist, und berechnen hierfür etwa 2 bis 4 Cent pro kWh.
Beispiel zur Verdeutlichung: Kostenunterschiede zwischen direkter Zahlung und Roamingnutzung
Ein Beispiel veranschaulicht den Unterschied zwischen direkter Zahlung und Roaming: Ein Fahrer lädt sein Elektrofahrzeug mit einer 70 kWh-Batterie an einer Shell Recharge-Ladesäule. Der direkte Preis des Betreibers liegt bei 0,39 €/kWh, was eine Gesamtladungskosten von 27,30 € bedeutet (70 kWh x 0,39 €).
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Lädt der Fahrer über einen Roamingdienst seines Mobilitätsanbieters (z. B. Octopus Electroverse), beträgt der Preis aufgrund zusätzlicher Roaminggebühren 0,49 €/kWh, wodurch der Ladevorgang insgesamt 34,30 € kostet. Die Differenz von 7,00 € erklärt sich durch die Plattform- und Verwaltungskosten des Roamingdienstes. Für Vielfahrer summieren sich diese Zusatzkosten schnell und machen das Roaming zu einem teuren Faktor.
Wer profitiert von den Roaminggebühren?
Die Profiteure der Roaminggebühren sind vor allem die CPOs, EMPs und die Roaming-Plattformen selbst. CPOs wie Shell Recharge profitieren, da sie durch Roaming höhere Auslastungen ihrer Ladesäulen erzielen und zusätzliche Kunden gewinnen können. EMPs wie Plugsurfing und EnBW steigern die Attraktivität ihrer Dienste, indem sie ein breites Netzwerk an Ladesäulen über Roaming anbieten und damit Nutzern Flexibilität verschaffen.
Auch Roaming-Plattformen wie Hubject verdienen an jeder Transaktion mit, da sie die Infrastruktur für den Austausch und die Abrechnung zur Verfügung stellen. Die wirtschaftlichen Vorteile der Roaminggebühren für diese Akteure erklären, warum eine Abschaffung bisher nicht durchgesetzt wurde
Warum sind Roaminggebühren weiterhin notwendig?
Roaminggebühren bestehen aus mehreren Gründen: Ein Hauptfaktor ist das Fehlen eines gesetzlich harmonisierten europäischen Marktes für Ladeinfrastruktur, wie es im Mobilfunkbereich existiert. Hierdurch haben die Betreiber große Freiheiten bei der Preisgestaltung.
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Die technische Komplexität spielt ebenfalls eine Rolle, da Ladepunkte eine aufwendigere Infrastruktur erfordern, um nicht nur digitale, sondern auch physische Energieverbindungen herzustellen und in Echtzeit abzurechnen. Wirtschaftlich sind Roaminggebühren für viele Anbieter eine wichtige Einnahmequelle, die zur Finanzierung und Weiterentwicklung der Ladeinfrastruktur dient und eine marktgerechte Grundlage für deren Ausbau bietet
Grundgebühren und spezielle Ladetarife: Eine Alternative?
Für regelmäßige Nutzer bieten einige Mobilitätsanbieter Tarife mit monatlichen Grundgebühren an, die die kWh-Preise senken. EnBW etwa bietet für 9,99 € pro Monat einen Tarif mit einem kWh-Preis von 0,35 €, wodurch die Kosten für einen vollständigen Ladevorgang eines 70 kWh-Fahrzeugs nur 24,50 € betragen.
Solche Tarife sind besonders für Pendler und Vielfahrer vorteilhaft. Auch einige Automobilhersteller bieten spezielle Tarife an; so können Tesla-Fahrer im Supercharger-Netzwerk kostengünstiger laden und umgehen Roamingkosten. Für Gelegenheitsnutzer hingegen ist die direkte Zahlung per Bank- oder Kreditkarte oft praktischer, obwohl die kWh-Preise hier tendenziell etwas höher ausfallen
Direkte Zahlung per Bank- und Kreditkarte: Vorteile und Nachteile
Einige Anbieter wie Shell Recharge bieten kontaktloses Bezahlen per Bank- oder Kreditkarte an. Diese Option ist vor allem für Gelegenheitsnutzer attraktiv, da sie keine monatliche Grundgebühr zahlen müssen.
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Die kWh-Preise können jedoch im Vergleich zu Vertragstarifen höher sein, was diese Option für Vielfahrer weniger interessant macht.
Zukunft der Roaminggebühren: Entwicklungen und neue Technologien
Die Europäische Union plant langfristig Maßnahmen zur Reduzierung der Roaminggebühren. Der Green Deal und die AFIR-Verordnung streben eine Harmonisierung der Ladeinfrastruktur und einheitliche Standards für Abrechnungssysteme an. Besonders interessant ist die Plug-and-Charge-Technologie (ISO 15118), die in Zukunft Roamingprozesse vereinfachen könnte: Mit dieser Technologie könnten sich Elektrofahrzeuge automatisch an Ladesäulen identifizieren und abrechnen, was den Bedarf an Roaming-Plattformen reduziert und die Verwaltungskosten senken könnte.
Eine Harmonisierung der Ladeinfrastruktur würde die Elektromobilität verbraucherfreundlicher und kostengünstiger gestalten und könnte mittelfristig zur Abschaffung der Roaminggebühren führen.
Bidirektionales Laden und variable Strompreise: Zukunftstrends im Lademarkt für Elektroautos
Der Lademarkt für Elektrofahrzeuge steht vor tiefgreifenden Veränderungen durch das Zusammenspiel von bidirektionalem Laden und variablen Strompreisen. Mit dem zunehmenden Ausbau erneuerbarer Energien und der Digitalisierung des Energiemarktes erwarten Experten, dass Ladestrom in Zukunft zu unterschiedlichen Tageszeiten unterschiedliche Preise haben wird. Besonders in Zeiten hoher Netzlast, wie abends, könnten höhere Preise anfallen, während tagsüber – wenn das Stromangebot durch Solarenergie groß ist – günstigere Preise möglich wären. Variable Stromtarife schaffen Anreize, zu bestimmten Zeiten günstiger zu laden, was die Flexibilität im Ladeverhalten von Elektroautofahrern erhöht.
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Das bidirektionale Laden geht sogar noch einen Schritt weiter. Hierbei können Elektrofahrzeuge nicht nur Strom aufnehmen, sondern auch wieder ins Hausnetz oder sogar ins öffentliche Netz einspeisen. Nutzer könnten somit unterwegs günstig geladenen Strom bei Bedarf zu Hause nutzen oder überschüssige Energie ans Netz zurückgeben, wenn die Preise besonders hoch sind. Diese Funktion bietet für private Haushalte, aber auch für das Energiesystem insgesamt eine enorme Flexibilität, da so Lastspitzen im Stromnetz abgedeckt und die Netzstabilität unterstützt werden können. Experten sehen im bidirektionalen Laden eine Möglichkeit, Stromnetze durch die Integration von Elektroautos als mobile Stromspeicher zu entlasten und die Effizienz des gesamten Energiesystems zu steigern.
Fazit: Perspektiven für eine kostenfreundlichere Ladeinfrastruktur
Obwohl Roaminggebühren aktuell noch eine notwendige Rolle in der Ladeinfrastruktur spielen, arbeitet die EU an langfristigen Lösungen, um die Ladeinfrastruktur nutzerfreundlicher und kosteneffizienter zu gestalten. Eine noch unterschätzte Lösung: Die Synergien und Kostenreduktionen, die mit variablen Strompreisen zu erwarten sind und der effektiven Nutzung des bidirektionalen Ladens.
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Eine umfassende Harmonisierung und der Einsatz neuer Technologien wie Plug-and-Charge könnten die Interoperabilität europaweit verbessern und Roamingkosten senken oder sogar abschaffen. Bis dahin bleiben Roaminggebühren ein wichtiger Bestandteil der Kostenstruktur, um die Nutzung und Verfügbarkeit der Ladeinfrastruktur flexibel zu gestalten und die Elektromobilität flächendeckend zu fördern.