Die Bedeutung von erneuerbaren Energien für die Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands
Die Diskussionen rund um die Energiepolitik in Deutschland und Europa sind zahlreich und intensiv. Doch warum hängt das Überleben des Industriestandorts Deutschland so stark von grünem Strom ab?
Die Alternative für Deutschland (AfD) hat durch ihre vehemente Kritik an der Energiewende signifikante Zustimmung erhalten und fordert eine Rückkehr zu fossilen Brennstoffen. Mehr als 50 prominente Unternehmen, die mit der Stiftung Klimawirtschaft verbunden sind, haben in einem offenen Brief an die Politik klargestellt, dass dieser Ansatz Deutschland nicht aus der Krise führen kann.
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Für Industrieunternehmen ist es entscheidend, in einem Land zu operieren, das stabile Rahmenbedingungen bietet und kontinuierliches Wachstum ermöglicht. Erfolgreiches Wirtschaften erfordert qualifizierte Arbeitskräfte – auch aus dem Ausland – und erschwingliche, grüne Energie. Erneuerbare Energiequellen, vor allem die Photovoltaik, sind heute die kostengünstigsten Energieformen weltweit. Im Gegensatz dazu ist kohlenstoffbasierte Energie selbst ohne die Einberechnung von CO₂-Schäden teurer. In den 2030er-Jahren wird sich diese Erkenntnis weiter verfestigen.
Die globale Perspektive und die wirtschaftliche Bedeutung der Erneuerbaren
China hat die wirtschaftliche Bedeutung erneuerbarer Energien erkannt und im vergangenen Jahr über 200 Gigawatt an Solarkapazität installiert. Im Vergleich dazu lag die neu installierte Kapazität in Deutschland im Rekordjahr 2023 nur bei 14 Gigawatt. Die Vereinigten Staaten erleben ebenfalls einen Boom bei der Installation von Solar- und Windkraftanlagen, teilweise getrieben durch den Inflation Reduction Act und unternehmerische Entscheidungen. Im letzten Jahr wurden weltweit 450 Gigawatt Solarkapazität installiert, und in diesem Jahr wird diese Zahl voraussichtlich auf 500 Gigawatt steigen.
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Die chemische Prozessindustrie, die traditionell auf konstante und hoch ausgelastete Betriebszeiten ausgelegt ist, muss sich an die zunehmenden Schwankungen durch den steigenden Anteil erneuerbarer Energien anpassen. Schwankungen in der Preisgestaltung und Verfügbarkeit von Strom führen dazu, dass Unternehmen ihre Produktionslast je nach Strompreis anpassen können. Diese Flexibilität ist entscheidend, um das Gesamtsystem zu stabilisieren und wirtschaftlich erfolgreich zu sein.
Die Rolle der Elektromobilität und flexible Stromtarife
In den nächsten fünf bis zehn Jahren werden Elektrofahrzeuge eine zentrale Rolle in der Energiepolitik spielen. Sie können Strom speichern, wenn er günstig ist, und ihn wieder abgeben, wenn er teuer ist. Diese Fähigkeit wird dazu beitragen, die Schwankungen am Strommarkt auszugleichen. Allerdings wird dieses Potenzial oft unterschätzt. Kritiker warnen vor möglichen “Dunkelflauten” – Phasen, in denen weder Wind noch Sonne genügend Energie liefern. Doch diese Bedenken stammen hauptsächlich aus der alten Energiewelt, die auf zentrale Kraftwerke angewiesen war. Moderne Technologien und künstliche Intelligenz können helfen, diese Schwankungen zu bewältigen.
Eine notwendige Veränderung im Energiesektor betrifft flexible Stromtarife und vernetzte Stromzähler. Das Sparpotenzial dieser Technologien ist enorm und bisher wenig in der Bevölkerung bekannt. Intelligente Stromzähler können beispielsweise Elektroautos automatisch zu den günstigsten Zeiten laden. Es ist entscheidend, die Menschen zu den Nutznießern der Energiewende zu machen, auch durch Bürgerbeteiligungen an Windkraftprojekten.
Grüner Strom als wettbewerbsfähige Alternative
Grüner Strom hat sich längst als ernstzunehmender Konkurrent zur fossilen Elektrizität etabliert. Zwar ist es für die Prozesswärme in der Industrie oftmals günstiger, Kohle zu verbrennen, doch auf lange Sicht wird grüner Strom aufgrund seiner Kosten- und Umweltvorteile die Oberhand gewinnen. Unternehmen gehen davon aus, dass weltweit bald Preise für CO₂-Emissionen eingeführt werden, was die Elektrifizierung von Produktionsprozessen wirtschaftlich attraktiver macht. Grüner und kostengünstiger Strom wird in einer Welt mit CO₂-Bepreisung zu einem entscheidenden Wettbewerbsvorteil.
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Selbst China erwägt die Einführung von CO₂-Preisen für Strom. Dies würde erneuerbare Energien noch günstiger machen und die Frage nach der Rentabilität von Kohle endgültig beantworten. Länder, die frühzeitig auf erneuerbare Energien setzen, sichern sich die Wettbewerbsvorteile der Zukunft. In Texas beispielsweise kann man heute grünen Strom für lediglich vier Cent pro Kilowattstunde beziehen – ganz ohne Subventionen, einfach weil es wirtschaftlich sinnvoll ist.
Regionale Preiszonen und ihre Auswirkungen
In Europa könnte die Aufteilung Deutschlands in verschiedene Preiszonen diskutiert werden, weil im Norden mehr günstiger Windstrom zur Verfügung steht als im Süden. Dies ist vor allem darauf zurückzuführen, dass der Ausbau der Stromtrassen nicht schnell genug vorangetrieben wurde.
Die industriellen Standorte in Bayern sind historisch gewachsen und können nicht einfach verlagert werden. Die Schaffung von Preiszonen wäre fatal für die Wettbewerbsfähigkeit der süddeutschen Industrie, da höhere Strompreise dort die Wirtschaft belasten würden. Gleichzeitig würde sich das Geschäftsmodell für Investoren in norddeutsche Windkraftanlagen nicht mehr lohnen, da diese weniger Abnehmer und niedrigere Preise hätten.
Atomkraft als umstrittene Option
Einige Experten behaupten, dass die Energiewende ohne Atomkraft nicht gelingen kann. Diese Sichtweise basiert jedoch auf veralteten und falschen Annahmen. Der erzeugte Strom aus Atomkraftwerken ist schlichtweg zu teuer.
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Neue Projekte in Finnland und England zeigen, dass die Stromkosten dort erheblich über den aktuellen Preisen in Deutschland liegen. Die Entscheidung, bestehende, bereits abgeschriebene Atomkraftwerke abzuschalten, hat Deutschland jedoch nicht weitergebracht.
Abschluss: Die Zukunft der Energiepolitik
Die Energiepolitik in Deutschland und Europa steht vor großen Herausforderungen, bietet aber auch immense Chancen. Durch den Ausbau erneuerbarer Energien, die Integration intelligenter Technologien und die Schaffung eines stabilen und flexiblen Strommarktes kann die Energiewende gelingen. Unternehmen, die frühzeitig auf grüne Energie setzen, sichern sich langfristige Wettbewerbsvorteile. Die Politik muss diese Entwicklung unterstützen, um die wirtschaftliche Zukunft des Standorts Deutschland zu sichern und gleichzeitig einen Beitrag zum globalen Klimaschutz zu leisten.