Die Debatte um das Dienstwagenprivileg: Milliardenförderung für Verbrenner auf dem Prüfstand
Die jüngste Studie des Londoner Beratungsunternehmens ERM, die im Auftrag der Organisation Transport & Environment (T&E) durchgeführt wurde, entfacht die Debatte um das sogenannte Dienstwagenprivileg erneut. Die Ergebnisse zeigen, dass der deutsche Staat fossil betriebene Firmenfahrzeuge jährlich mit rund 13,7 Milliarden Euro unterstützt. Diese Zahl übersteigt frühere Schätzungen erheblich und lenkt den Blick auf die wirtschaftlichen und ökologischen Auswirkungen dieser Subventionen. Besonders angesichts der aktuellen Diskussionen um den Klimawandel und die Förderung von Elektromobilität wirft diese Analyse dringende Fragen zur Ausrichtung der staatlichen Förderpolitik auf.
Steigende Subventionen: Eine weitreichende Belastung für den Staatshaushalt
Während bisherige Schätzungen, wie die des Umweltbundesamts, von einer Subventionierung in Höhe von 3,1 Milliarden Euro jährlich ausgegangen sind, zeigt sich durch die ERM-Analyse ein deutlich höheres finanzielles Engagement des Staates. Auch das Öko-Institut kam in einem von der Bundesregierung auf Druck veröffentlichten Bericht auf 6,077 Milliarden Euro. Zudem zeigte eine Untersuchung der Bertelsmann Stiftung, dass eine Reform, die den Umstieg auf Elektroautos stärker begünstigt, den Staat um bis zu 7,6 Milliarden Euro jährlich entlasten könnte. Dies verdeutlicht das enorme finanzielle Potenzial, das durch eine Neuausrichtung der Förderung realisiert werden könnte.
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Derzeit jedoch unterstützt der Staat primär Firmenfahrzeuge mit Verbrennungsmotoren, was nicht nur finanzielle Belastungen verursacht, sondern auch dem Ziel einer nachhaltigen Mobilitätswende entgegenwirkt. Angesichts dieser Zahlen scheint eine Reform überfällig, doch die Bundesregierung stellt sich bislang gegen eine derartige Neugestaltung des Dienstwagenprivilegs.
Das Argument der Bundesregierung: Keine Subvention, sondern Steuervereinfachung
Trotz der Erkenntnisse aus der ERM-Studie und anderen Berichten bestreitet die Bundesregierung, dass es sich bei der pauschalen Versteuerung von Dienstwagen um eine Subvention handelt. Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) bezeichnet das Dienstwagenprivileg als einen „Mythos“. Seiner Meinung nach dient die Regelung lediglich der Vereinfachung der Steuererklärung. Angestellte, die einen Firmenwagen auch privat nutzen, müssen den geldwerten Vorteil pauschal mit einem Prozent des Bruttolistenpreises pro Monat versteuern, anstatt ein detailliertes Fahrtenbuch zu führen.
Lindner betont, dass die Abschaffung dieser Pauschalregelung nur zusätzliche Bürokratie verursachen würde, ohne dabei dem Staat nennenswerte Mehreinnahmen zu bringen. Seiner Argumentation zufolge handelt es sich hierbei also nicht um eine gezielte Subvention, sondern um eine Verwaltungsvereinfachung, die den Steuerzahlern zugutekommen soll. Diese Position der Bundesregierung steht jedoch im Widerspruch zu den Aussagen von Umweltorganisationen und den Studienergebnissen, die eindeutig auf eine staatliche Förderung hinweisen.
Elektrofahrzeuge im Fokus: Geringe Anreize trotz Steuererleichterungen
Im Gegensatz zu den Verbrenner-Dienstwagen erhalten elektrisch betriebene Fahrzeuge eine steuerliche Begünstigung, die sie attraktiver machen soll. Für reine Elektrofahrzeuge wird der geldwerte Vorteil mit einem reduzierten Steuersatz von 0,25 Prozent versteuert, während Plug-in-Hybride mit 0,5 Prozent angesetzt werden. Trotz dieser Erleichterung bleibt der Anreiz für Unternehmen, auf Elektrofahrzeuge umzusteigen, gering. Die Kosten für diese Steuervergünstigungen belaufen sich im laufenden Jahr auf etwa 1,5 Milliarden Euro – eine Summe, die durch die geplante Ausweitung der Förderung in den kommenden Jahren weiter steigen könnte.
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Elektro-Dienstwagen spielen für den angestrebten Wandel hin zu einer klimafreundlicheren Mobilität eine zentrale Rolle, da in Deutschland etwa zwei Drittel aller Neuzulassungen auf gewerbliche Fahrzeuge entfallen. Der Anteil der Elektrofahrzeuge unter diesen Neuzulassungen ist jedoch weiterhin niedriger als im Privatsektor. Dies zeigt, dass trotz steuerlicher Vorteile noch kein starker Anreiz besteht, großflächig auf elektrische Firmenfahrzeuge umzusteigen.
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Susanne Goetz, Expertin für E-Mobilität bei T&E Deutschland, kritisiert die fehlende Attraktivität des bestehenden Steuersystems für den Umstieg auf Elektrofahrzeuge. Sie betont, dass der finanzielle Vorteil für Unternehmen gering sei. Ein Arbeitgeber, der einen VW ID.4 als Elektrofahrzeug anstelle eines herkömmlichen VW Tiguan lease, spare lediglich zwölf Euro im Jahr. Damit fehle der Bundesregierung der Mut, Verbrennerfahrzeuge unattraktiver zu machen und dadurch gleichzeitig die Staatskasse zu entlasten sowie einen entscheidenden Beitrag zum Klimaschutz zu leisten.
Internationale Vorbilder: Wie andere Länder den Wandel forcieren
Der internationale Vergleich zeigt, dass andere europäische Länder deutlich entschlossener vorgehen, um den Wandel hin zu emissionsärmeren Firmenfahrzeugen voranzutreiben. In Belgien und Großbritannien wurden Maßnahmen eingeführt, die Verbrennerfahrzeuge steuerlich benachteiligen und gleichzeitig den Umstieg auf Elektroautos fördern. In Großbritannien gibt es gar keine steuerliche Begünstigung mehr für Firmenfahrzeuge mit Verbrennungsmotor. Dies zwingt Unternehmen, auf alternative Antriebe umzusteigen, wenn sie weiterhin steuerliche Vorteile in Anspruch nehmen wollen.
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Auch in Spanien zeigt sich ein ausgewogeneres Bild: Hier halten sich positive und negative Anreize in etwa die Waage, was zu einer moderateren Umstellung auf Elektrofahrzeuge führt. Interessant ist jedoch, dass Deutschland im internationalen Vergleich mit Italien auf einer der höchsten Stufen der Subventionierung von Firmenfahrzeugen steht. Während die Förderung in Italien bis zu 16 Milliarden Euro erreicht, liegt Deutschland mit 13,7 Milliarden Euro nur knapp dahinter. Frankreich und Polen folgen mit jeweils rund sechs Milliarden Euro. Es wird jedoch deutlich, dass Deutschland vor allem bei der Förderung von Verbrennerfahrzeugen weit vorne liegt, während die Subventionen für elektrische Dienstwagen in der aktuellen Analyse bewusst nicht eingerechnet wurden.
Die versteckten Subventionen: Tankkarten und Vorsteuerabzüge als kostspielige Vergünstigungen
Neben der pauschalen Versteuerung des geldwerten Vorteils gibt es noch weitere indirekte Formen der Subvention, die in der Debatte um das Dienstwagenprivileg oft unberücksichtigt bleiben. Die ERM-Studie legt offen, dass Tankkarten, die viele Unternehmen ihren Angestellten zur Verfügung stellen, ebenfalls eine große finanzielle Belastung für den Staat darstellen. Diese werden in der Regel nicht als geldwerter Vorteil besteuert, was jährlich zu Einnahmeausfällen von rund 3,9 Milliarden Euro führt. Diese Form der versteckten Subvention verstärkt die umweltschädlichen Effekte der Förderung noch weiter.
Zudem profitieren Unternehmen vom Vorsteuerabzug, wenn sie Dienstwagen anschaffen oder leasen. Dies führt dazu, dass nicht nur die Nutzung der Fahrzeuge staatlich unterstützt wird, sondern auch deren Anschaffung für die Unternehmen steuerlich attraktiv bleibt. Diese steuerlichen Vorteile machen vor allem größere, teurere und spritintensivere Fahrzeuge besonders attraktiv und belohnen so indirekt eine umweltschädlichere Fahrzeugwahl.
Je größer der Wagen, desto höher die Förderung: Ein umweltschädliches System
Ein besonders problematischer Aspekt der Subventionen für Dienstwagen ist die Tatsache, dass größere und treibstoffintensivere Fahrzeuge stärker gefördert werden als kleinere und umweltfreundlichere Modelle. Ein Mittelklassewagen wie der Audi A6 erhält im Jahr eine Förderung von bis zu 8040 Euro, während ein Kleinwagen wie der VW Up nur auf 3563 Euro kommt. Dieses Missverhältnis zeigt, dass das derzeitige System eher kontraproduktive Anreize setzt und die Umweltziele der Bundesregierung konterkariert.
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Da große Firmenfahrzeuge in der Regel mehr Treibstoff verbrauchen und höhere CO2-Emissionen verursachen, trägt das bestehende Fördermodell nicht nur zur weiteren Belastung des Klimas bei, sondern fördert auch einen ineffizienten und umweltschädlichen Fuhrpark.
Private Nutzung von Dienstwagen: Ein unterschätzter Faktor
Laut der ERM-Studie werden Dienstwagen in Deutschland überwiegend privat genutzt. Etwa 80 Prozent der Fahrten mit einem Dienstwagen finden im privaten Kontext statt. Dies ist ein zentraler Punkt, da die pauschale Versteuerung des geldwerten Vorteils den tatsächlichen Umfang der privaten Nutzung unterschätzt. Würden die Beschäftigten die Fahrzeuge privat finanzieren, müssten sie die kompletten Kosten für Anschaffung, Versicherung, Wartung und Treibstoff selbst tragen, was die Subventionen deutlich relativieren würde.
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Diese versteckte Subventionierung des privaten Konsums stellt einen weiteren Kritikpunkt am aktuellen System dar, der bislang wenig Beachtung gefunden hat.
Fazit: Eine Reform des Dienstwagenprivilegs ist unvermeidbar
Die Ergebnisse der Studie zeigen deutlich, dass das Dienstwagenprivileg in seiner jetzigen Form weder ökonomisch noch ökologisch sinnvoll ist. Eine grundlegende Reform, die den Umstieg auf Elektrofahrzeuge stärker fördert und gleichzeitig die Subventionen für umweltschädliche Verbrenner reduziert, könnte den Staat um Milliarden entlasten und gleichzeitig einen erheblichen Beitrag zum Klimaschutz leisten. Länder wie Belgien und Großbritannien zeigen, dass eine klare politische Linie und effektive Maßnahmen Unternehmen motivieren können, auf klimafreundlichere Fahrzeuge umzusteigen.