Rechtliche Grundlagen der 70%-Regelung 2025
Die 70%-Abregelungsregel basiert auf der Anschluss- und Einspeiseverordnung (AnlAV) sowie dem Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG 2023). Betreiber von PV-Anlagen zwischen 7 und 25 kWp können zwischen drei Optionen wählen: der pauschalen 70%-Begrenzung, der Installation eines Smart-Meter-Gateways mit fernsteuerbarer Abregelung oder der Verwendung eines Rundsteuerempfängers.
Die Bundesnetzagentur hat 2024 präzisiert, dass die 70%-Begrenzung sich auf die maximale Wirkleistungsabgabe am Netzverknüpfungspunkt bezieht. Diese Klarstellung schafft Planungssicherheit für Anlagenbetreiber und ermöglicht gezielte Optimierungsstrategien.
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Anlagen unter 7 kWp sind grundsätzlich von der 70%-Regel befreit. Diese Befreiung gilt unabhängig von der installierten Modulleistung und bezieht sich ausschließlich auf die Wechselrichter-Ausgangsleistung. Diese Regelung eröffnet interessante Gestaltungsmöglichkeiten für die Anlagenplanung.
Anlagen-Splitting: Die 7-kWp-Grenze strategisch nutzen
Eine bewährte Strategie zur Umgehung der 70%-Regel besteht im gezielten Splitting größerer Anlagen in mehrere kleinere Einheiten unter 7 kWp. Statt einer 15-kWp-Anlage können beispielsweise zwei separate 7-kWp-Anlagen mit eigenen Zählern und Netzanschlüssen realisiert werden.
Die rechtlichen Voraussetzungen für ein wirksames Anlagen-Splitting sind klar definiert. Jede Teilanlage muss über einen separaten Zähler, einen eigenen Netzanschluss und eine eigenständige Anmeldung beim Netzbetreiber verfügen. Die Anlagen müssen zudem räumlich getrennt oder durch unterschiedliche Eigentumsverhältnisse abgegrenzt sein.
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Bei einem Einfamilienhaus mit 200 Quadratmetern Dachfläche könnte eine Aufteilung in eine 7-kWp-Anlage auf dem Hauptdach und eine weitere 7-kWp-Anlage auf Garage oder Carport erfolgen. Die zusätzlichen Kosten für den zweiten Zähler und Netzanschluss betragen typischerweise 800 bis 1.200 Euro, während die eingesparten Smart-Meter-Gateway-Kosten bei etwa 3.000 Euro liegen.
Rundsteuerempfänger als kostengünstige Alternative
Der Rundsteuerempfänger stellt eine oft übersehene Alternative zum teuren Smart-Meter-Gateway dar. Diese bewährte Technologie ermöglicht es Netzbetreibern, PV-Anlagen bei Bedarf ferngesteuert abzuregeln, ohne die hohen Investitions- und Betriebskosten eines Smart-Meter-Systems.
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Die Installation eines Rundsteuerempfängers kostet zwischen 400 und 600 Euro, verglichen mit 2.500 bis 3.500 Euro für ein Smart-Meter-Gateway. Die jährlichen Betriebskosten liegen bei etwa 50 Euro gegenüber 100 bis 150 Euro für Smart-Meter-Systeme. Praktische Erfahrungen zeigen, dass Abregelungen über Rundsteuerempfänger nur 2 bis 5 Stunden pro Jahr auftreten.
Netzbetreiber akzeptieren Rundsteuerempfänger als gleichwertige Alternative zum Smart-Meter-Gateway, sofern die technischen Anforderungen der VDE-AR-N 4105 erfüllt sind. Die Geräte müssen eine Mindestableistung auf 30% der Nennleistung ermöglichen und über eine Rückmeldung an den Netzbetreiber verfügen.
Wechselrichter-Dimensionierung als Planungsstrategie
Eine clevere Dimensionierung von Wechselrichtern kann die 70%-Problematik elegant umgehen. Bei Ost-West-Anlagen mit 12 kWp Modulleistung und einem 8-kWp-Wechselrichter beträgt die maximale Einspeiseleistung physikalisch nur 8 kW. Da sich die 70%-Regel auf die Wechselrichter-Ausgangsleistung bezieht, sind 70% von 8 kW gleich 5,6 kW.
Diese Strategie funktioniert besonders gut bei Anlagen mit suboptimaler Ausrichtung oder Teilverschattung. Ein 10-kWp-Modulfeld mit 7-kWp-Wechselrichter erreicht aufgrund der Ausrichtungsbedingt niedrigeren Spitzenleistung selten die theoretische Maximalleistung. Die Ertragsverluste durch Wechselrichter-Begrenzung bleiben minimal, während die 70%-Regel umgangen wird.
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Moderne Wechselrichter mit mehreren MPP-Trackern ermöglichen zudem eine optimierte Ausnutzung unterschiedlicher Dachflächen. Ein 6-kWp-Wechselrichter mit drei Trackern kann Ost-, Süd- und Westausrichtung separat optimieren und dabei unter der 7-kWp-Grenze bleiben.
Smart-Meter-Gateway: Kosten-Nutzen-Analyse
Trotz höherer Kosten bietet das Smart-Meter-Gateway den Vorteil der vollständigen Einspeisung ohne pauschale Begrenzung. Die Investitionskosten von 2.500 bis 3.500 Euro amortisieren sich bei Anlagen über 15 kWp durch die vermiedenen Ertragsverluste innerhalb von 8 bis 12 Jahren.
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Das Smart-Meter-Gateway ermöglicht zudem erweiterte Funktionen wie zeitvariable Stromtarife, Lastmanagement und die Integration in Smart-Home-Systeme. Diese Zusatzfunktionen können den Eigenverbrauch optimieren und zusätzliche Einsparungen generieren.
Die jährlichen Betriebskosten für Smart-Meter-Gateways sind gesetzlich auf 100 Euro für Anlagen zwischen 7 und 15 kWp sowie 130 Euro für Anlagen zwischen 15 und 100 kWp begrenzt. Diese Kosten müssen gegen die Ertragsverluste durch 70%-Abregelung abgewogen werden.
Praktische Umsetzung und Netzbetreiber-Kommunikation
Die erfolgreiche Umsetzung von Umgehungsstrategien erfordert frühzeitige Kommunikation mit dem örtlichen Netzbetreiber. Viele Netzbetreiber haben eigene Interpretationen der gesetzlichen Vorgaben entwickelt, die von der bundesweiten Praxis abweichen können.
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Bei Anlagen-Splitting sollte die Anmeldung beider Teilanlagen gleichzeitig erfolgen, um Transparenz zu schaffen und spätere Diskussionen zu vermeiden. Die räumliche Trennung muss dokumentiert und in den Anmeldeunterlagen klar dargestellt werden.
Rundsteuerempfänger müssen vor Installation beim Netzbetreiber angemeldet und die technischen Spezifikationen abgestimmt werden. Nicht alle Netzbetreiber verfügen über die notwendige Infrastruktur für Rundsteuersignale, weshalb eine Vorabklärung unerlässlich ist.
Wirtschaftliche Bewertung der verschiedenen Optionen
Eine 10-kWp-Anlage mit 70%-Abregelung verliert jährlich etwa 800 bis 1.200 kWh Ertrag, entsprechend 200 bis 300 Euro bei aktuellen Strompreisen. Über 20 Jahre summiert sich dieser Verlust auf 4.000 bis 6.000 Euro. Die Investition in einen Rundsteuerempfänger für 500 Euro amortisiert sich bereits im ersten Jahr.
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Bei größeren Anlagen ab 15 kWp steigen die Ertragsverluste überproportional. Eine 20-kWp-Anlage verliert durch 70%-Abregelung jährlich 2.000 bis 3.000 kWh, entsprechend 500 bis 750 Euro. Hier rechtfertigt sich die Investition in ein Smart-Meter-Gateway trotz höherer Kosten.
Das Anlagen-Splitting verursacht einmalige Mehrkosten von 800 bis 1.200 Euro, vermeidet jedoch dauerhaft alle Abregelungsverluste. Diese Strategie ist besonders bei Neuanlagen wirtschaftlich, da die Mehrkosten in die Gesamtfinanzierung integriert werden können.
Zukunftsperspektive und regulatorische Entwicklungen
Die Bundesregierung plant eine schrittweise Abschaffung der 70%-Regel bis 2030. Das Solarpaket I sieht vor, dass neue Anlagen ab 2025 standardmäßig mit Smart-Meter-Gateways ausgestattet werden, wodurch die pauschale Abregelung obsolet wird.
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Bestehende Anlagen mit 70%-Abregelung können von dieser Entwicklung profitieren, da Nachrüstungen mit Smart-Meter-Gateways staatlich gefördert werden sollen. Die genauen Modalitäten dieser Förderung sind jedoch noch nicht final definiert.
Die zunehmende Digitalisierung des Energiesystems macht Smart-Meter-Gateways langfristig unverzichtbar. Betreiber, die bereits heute in diese Technologie investieren, positionieren sich optimal für zukünftige Entwicklungen wie Vehicle-to-Grid oder sektorengekoppelte Energiesysteme.
Fazit und Handlungsempfehlungen
Die 70%-Abregelungsregel lässt sich durch verschiedene legale Strategien umgehen oder kostengünstig erfüllen. Anlagen-Splitting eignet sich besonders für Neubauten mit ausreichender Dachfläche, während Rundsteuerempfänger eine wirtschaftliche Lösung für bestehende Anlagen darstellen.
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Die Wahl der optimalen Strategie hängt von individuellen Faktoren wie Anlagengröße, Dachkonfiguration und lokalen Netzbetreiber-Anforderungen ab. Eine frühzeitige Planung und professionelle Beratung sind entscheidend für den wirtschaftlichen Erfolg.
Die regulatorische Entwicklung zeigt klar in Richtung vollständiger Digitalisierung und Abschaffung pauschaler Abregelungen. Investitionen in zukunftsfähige Technologien zahlen sich langfristig aus und schaffen die Basis für optimierte Energiesysteme.
STEUERRECHTLICHER HINWEIS: Die aufgeführten Informationen basieren auf aktueller Rechtslage, ersetzen jedoch keine individuelle Beratung durch qualifizierte Fachexperten. Als technische Projektmanager erkennen wir regulatorische Komplexitäten und arbeiten eng mit spezialisierten Rechts- und Steuerberatern zusammen. energiefahrer übernimmt keine rechtsberatende Tätigkeit – bei Bedarf vermitteln wir Sie an entsprechende Fachpartner.