Die unbequeme Wahrheit über deutsche Strompreise
Obwohl Sonne und Wind als Energiequellen grundsätzlich kostenlos sind, zahlen Verbraucher in Deutschland im Oktober 2025 Rekordpreise für Strom. Mit durchschnittlich 39,7 Cent pro Kilowattstunde gehört Deutschland europaweit zu den teuersten Ländern – nur Dänemark liegt noch darüber. Diese Situation erscheint paradox, denn die Erzeugungskosten für erneuerbare Energien sinken stetig, und an der Strombörse kommt es immer wieder zu negativen Preisen. Dennoch erscheinen diese Vorteile kaum in den Endverbrauchertarifen.
Die Erklärung dafür liegt in tief verwurzelten strukturellen Herausforderungen der deutschen Energieinfrastruktur. Gleichzeitig existieren bereits heute praktikable Lösungen, von denen Haushalte und Unternehmen profitieren können. Dieser Beitrag analysiert, warum Strom in Deutschland so teuer bleibt, wie das Land im europäischen Vergleich dasteht und welche konkreten Handlungsoptionen Ihnen zur Verfügung stehen, um Kosten nachhaltig zu reduzieren.
Deutschlands Strompreise im europäischen Vergleich
Im Oktober 2025 zahlen deutsche Haushalte im Schnitt 39,4 Cent pro Kilowattstunde, was rund 37 Prozent über dem europäischen Durchschnitt von 28,7 Cent liegt. Die Diskrepanz zu direkten Nachbarn ist besonders groß: Französische Haushalte zahlen 29,3 Cent, österreichische lediglich 24,4 Cent, und niederländische Verbraucher profitieren sogar von nur 21,6 Cent pro Kilowattstunde. Das bedeutet, dass deutsche Verbraucher fast doppelt so viel Strom bezahlen wie ihre Nachbarn in den Niederlanden.

Auch für Industriekunden sind die Preise überdurchschnittlich hoch. Mit rund 18 Cent pro Kilowattstunde liegen die deutschen Industriestrompreise deutlich über vielen europäischen Vergleichswerten. Weltweit gehört Deutschland mit seinem Preisniveau zu den fünf teuersten Strommärkten – hinter Bermuda, Dänemark, Irland und Belgien. Diese Kostenposition setzt die internationale Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft erheblich unter Druck.
So setzt sich der Strompreis zusammen: Die entscheidenden Kostenfaktoren
Der Strompreis gliedert sich in drei Hauptbestandteile, die jeweils einen anderen Teil der Kostenstruktur abbilden:
Beschaffung und Vertrieb (40 Prozent)
Knapp 16,1 Cent pro Kilowattstunde entfallen auf diesen Bereich. Obwohl die Großhandelspreise an der Strombörse in den letzten Jahren gesunken sind, spüren die Endkunden davon kaum etwas. Im Sommer 2025 fielen Börsenstrompreise sogar mehrfach in den negativen Bereich – an 22 Tagen im Juni lagen sie für insgesamt 141 Stunden unter null. Dennoch bleiben traditionelle Festpreistarife Starr, und Verbraucher profitieren von diesen Marktgegebenheiten kaum.
Netzentgelte (28 Prozent)
Mit 10,9 Cent pro Kilowattstunde machen die Netzentgelte einen großen Anteil aus, der in Deutschland besonders hoch ist. Die Ursache liegt im unzureichenden Ausbau des Stromnetzes. Windstrom aus dem Norden muss in den industrieintensiven Süden transportiert werden, doch die erforderlichen Leitungskapazitäten fehlen. Dies hat zur Folge, dass teure Redispatch-Maßnahmen durchgeführt werden: Windkraftanlagen an der Nordsee werden häufig abgeregelt, während im Süden fossile Gaskraftwerke hochgefahren werden müssen. Diese Engpasskosten belaufen sich 2025 auf knapp drei Milliarden Euro und werden über die Netzentgelte auf alle Verbraucher umgelegt.
Steuern, Abgaben und Umlagen (32 Prozent)
Mit 12,7 Cent pro Kilowattstunde macht der staatliche Anteil weiterhin einen erheblichen Teil des Strompreises aus. Trotz eines deutlichen Bedenkens in den letzten Jahren liegt Deutschland mit diesem Anteil weit über dem EU-Durchschnitt von 25,1 Prozent. Zum Komplex der staatlichen Abgaben gehören neben der Umsatzsteuer von 19 Prozent auch die Stromsteuer von 2,05 Cent pro Kilowattstunde, die Konzessionsabgabe, die Offshore-Netzumlage sowie Förderumlagen wie die Umlage nach dem Kraft-Wärme-Kopplungsgesetz.
Strukturbedingte Ursachen für hohe Strompreise
Drei wesentliche Faktoren sind dafür verantwortlich, dass Strom in Deutschland weiterhin so teuer ist:
Verschleppter Netzausbau
Die Stromnetze hinken dem schnellen Ausbau erneuerbarer Energien hinterher. Der Windstrom im Norden kann nicht flächendeckend und effizient in den Süden transportiert werden. Stattdessen müssen Windkraftanlagen gedrosselt werden, während im Süden teure und klimaschädliche Fossilkraftwerke hochgefahren werden, um die Versorgung sicherzustellen. Dieses Missverhältnis verursacht hohe Kosten, die letztendlich alle Verbraucher tragen.
Einheitliche Strompreiszone
Deutschland und Luxemburg bilden derzeit eine einheitliche Strompreiszone („Kupferplatten-Fiktion“), die vorgibt, Strom könnte unbegrenzt im Land transportiert werden. Tatsächlich entstehen jedoch regelmäßig Netzengpässe, die zu Verzerrungen führen.
- Strompreis Deutschland: Ursachen & Lösungen für alle
- Photovoltaik: Wie lange halten Solarmodule wirklich?
- Gaskraftwerke: 10 Gründe für steigende Strompreise
- Warum eine Netzentgeltsenkung 2026 die Strompreise kaum senkt
- Energiewende Monitoringbericht: Photovoltaik, Speicher & Zukunft
Experten des europäischen Übertragungsnetzbetreiberverbands empfehlen, Deutschland in fünf einzelne Zonen aufzuteilen, um regionale Preissignale zu erzeugen. Die potenziellen Hoffnungen durch eine solche Reform werden auf rund 339 Millionen Euro jährlich geschätzt. Eine einheitliche Preiszone lässt hingegen keinen Markt reagieren und unterbindet Investitionen in die netzdienliche Infrastruktur.
Mangelnde Digitalisierung und niedrige Smart-Meter-Quote
Während in vielen Ländern Europas der lediglich Einbau intelligenter Stromzähler („Smart Meter“) weit fortgeschritten ist – etwa in Dänemark, Schweden und Italien bei nahezu 100 Prozent – liegt Deutschland im Oktober 2025 bei 2,8 Prozent aller Messstellen. Auch bei den bewiesenen Installationen, etwa bei großen Haushalten oder Photovoltaik-Anlagen über 7 Kilowatt, beträgt die Ausstattungsquote nur etwa 15 Prozent. Diese geringe Verbreitung erschwert flexible Stromtarife und intelligentes Lastmanagement, wichtige Hebel für eine Kostensenkung.
Was andere Länder besser machen: Beispiele aus Europa
In Europa gehen Nachbarn voran und zeigen, wie ein zukunftsfähiger Strommarkt funktioniert:
- Länder wie Schweden, Dänemark, Norwegen, Finnland und Estland haben den Rollout von Smart Metern nahezu abgeschlossen, was den Verbrauchern flexible Tarife und eine effektivere Steuerung ihres Stromverbrauchs ermöglicht.
- Die Einführung mehrerer Preiszonen in Ländern wie Schweden (vier Zonen), Norwegen (fünf Zonen) und Italien (sechs Zonen) sorgt für eine bessere Abstimmung von Erzeugung und Verbrauch und reduzierte Netzengpässe erheblich.
- Vorteile bei der Wärmepumpen-Integration werden insbesondere in den nordischen Ländern deutlich: Während Deutschland nur 10,6 Wärmepumpen pro 1.000 Haushalte installiert hat, sind es in Norwegen 57, in Finnland 39. Diese Technologie entlastet das Stromnetz durch intelligente Steuerung und trägt zur besseren Nutzung erneuerbarer Energien bei.
Dynamische Stromtarife: Ihre Möglichkeit für sofortige Kostenersparnis
Seit Anfang 2025 sind Stromversorger verpflichtet, Kunden mit intelligenter Messtechnik dynamische Stromtarife anzubieten, die sich am aktuellen Börsenpreis orientieren. Während hohe Erzeugung erneuerbarer Energien den Preis in günstigen Stunden senkt oder sogar negiert, steigen die Preise bei geringerer Produktion. Verbraucher, die ihren Verbrauch zeitlich flexibel gestalten, können dadurch erheblich sparen.
Im Juni 2025 gab es an 22 Tagen 141 Stunden mit negativen Preisen, bei denen Stromproduzenten dafür bezahlen mussten, Strom abzunehmen. Kunden mit dynamischen Tarifen profitieren davon, dass sie etwa Elektroautos in diesen Stunden aufladen oder Wärmepumpen betreiben – häufig erzielen sie dadurch mehrere hundert Euro pro Jahr.
Energiemanagementsysteme: Der Schlüssel zu intelligentem Verbrauch
Intelligente Energiemanagementsysteme (EMS) koordinieren alle elektrischen Verbraucher und Erzeuger im Haushalt oder Betrieb automatisch. Sie steuern Wärmepumpen, Ladestationen, Batteriespeicher, Haushaltsgeräte und weitere Anlagen so, dass der Stromverbrauch in den günstigsten Stunden verfällt und der Eigenverbrauch maximiert wird.

Elektromobilität bekommt Rückenwind!
Die Bundesregierung verlängert die Kfz-Steuerbefreiung für E-Autos bis 2035. Wer bis Ende 2030 ein reines Elektrofahrzeug zulässt, zahlt bis zu zehn Jahre lang keine Kfz-Steuer.
Besonders spannend: Beim anstehenden Automobildialog könnten weitere Fördermaßnahmen folgen. Im Gespräch ist ein Social-Leasing-Programm nach französischem Vorbild, das auch Haushalten mit kleinerem Einkommen den Zugang zu E-Autos ermöglichen soll.
Selbst ohne eigene Photovoltaik-Anlage können die Verbrauchskosten durch solche Systeme um 25 bis 35 Prozent sinken. Bei Anlagenbesitzern steigt durch optimales Lastmanagement der Eigenverbrauch deutlich, und die Nutzung besonders günstiger oder negativer Börsenpreise für Netzstrom reduziert die Gesamtkosten weiter.
Nutzung von Autostrom- und Wärmepumpentarifen
Speziell für Elektromobilität und Wärmepumpen bieten viele Energieversorger zum Jahr 2025 attraktive Sondertarife an. Autostromtarife sind häufig 3 bis 4 Cent pro kWh günstiger als Haushaltsstrom und lohnen sich vor allem bei alten Fahrleistungen über 10.000 Kilometern und überwiegendem Laden zu Hause. Voraussetzung ist meist ein zusätzlicher Zähler an der Wallbox. Wärmepumpen profitieren durch eigens nachgewiesene Wärmepumpentarife mit reduzierten Netzentgelten, die Stromkosten um 20 bis 30 Prozent senken können.
Steuerbare Wallboxen und Wärmepumpen müssen seit Januar 2024 netzorientiert betrieben werden, das heißt, ihre Leistung kann bei Netzpässen automatisch reduziert werden. Smarte Messsysteme sind notwendig, um diese Tarife zu nutzen und die Vorteile zu realisieren.
Netzentgeltsenkung durch dynamischen Stromtarif für Unternehmen – auch mit eigener Photovoltaik-Anlage
Unternehmen mit eigener PV-Anlage profitieren besonders von dynamischen Stromtarifen und den damit verbundenen Möglichkeiten zur Reduzierung der Netzentgelte. Da Netzentgelte in Deutschland zu einem großen Teil von der maximalen Leistungsaufnahme innerhalb eines Abrechnungsjahres abhängen, können durch intelligentes Lastmanagement und Ladeverhalten Lastspitzen vermieden oder in Zeiten geringer Netzbelastung verlagert werden. Dies führt zu einer direkten Senkung der Netzentgelte um bis zu 40 Prozent. Insbesondere steuerbare Anlagen wie Wärmepumpen, Wallboxen oder Batteriespeicher ermöglichen die flexible Anpassung des Verbrauchs, wodurch sich Netznutzungsgebühren reduzieren lassen.
In Kombination mit Eigenstromnutzung aus der PV-Anlage und dynamischen Tarifen kann das Unternehmen nicht nur die Betriebskosten signifikant senken, sondern gleichzeitig die Wettbewerbsfähigkeit steigern und Klimaziele unterstützen. Praxisbeispiele zeigen tief im fünfstelligen Eurobereich für mittelständische Betriebe. Unternehmen sollten daher gezielt in intelligente Steuerungs- und Energiemanagementsysteme investieren sowie dynamische Netzentgelte aktiv nutzen, um von den Fördermöglichkeiten ab 2025 zu profitieren.
Nutzung von Batteriespeichern auch ohne Photovoltaikanlage
Immer mehr Anbieter ermöglichen den Betrieb von Batteriespeichern unabhängig von einer eigenen PV-Anlage. Solche Systeme kaufen mit intelligenter Steuerung Strom überwiegend dann ein, wenn die Preise niedrig oder negativ sind, und speichern ihn für späteren Verbrauch. Das senkt deutlich die Stromkosten, auch wenn keine eigene Stromerzeugung vorhanden ist. Moderne Lithium-Eisenphosphat-Akkus gelten als besonders sicher und langlebig, ihre Investition amortisiert sich je nach Betrieb in wenigen Jahren. Die Steuerung basiert auf Smart Metern und KI-gestützten Algorithmen, die automatisch Marktpreise und Verbrauch optimieren. So profitieren Nutzer von flexiblen Börsenpreisen, ohne eine Solaranlage besitzen zu müssen.
Dynamische Tarife sind auch ohne PV-Anlage sofort nutzbar. Haushalte mit Wärmepumpen, Elektroautos oder steuerbaren Geräten sollten unbedingt auf intelligente Lastverschiebung setzen, um 800 bis 1.200 Euro jährlich einzusparen. Der gesetzliche Anspruch auf den Einbau eines Smart Meters erleichtert den Zugang zu diesen Tarifen zusätzlich.
Lastverschiebung – Warum sie wirtschaftlich sinnvoll ist
Lastverschiebung bedeutet, den Stromverbrauch flexibel in günstigeren Zeitfenstern zu verlagern. Diese Strategie reduziert die Kosten, insbesondere durch die Vermeidung hoher Lastspitzen, die bei vielen Großverbrauchern das Netzentgelt überproportional erhöht. Intelligente Lastmanagementsysteme koppeln steuerbare Verbraucher mit Energiespeichern und Produktionsabläufen, sodass der Stromverbrauch automatisch an Preissignale und Netzbelastungen angepasst wird, ohne die Betriebsabläufe zu beeinträchtigen. Neben finanziellen Vorteilen unterstützt Lastverschiebung die Netzstabilität und verbesserte Umweltbilanzen, da vermehrt Strom aus erneuerbaren Quellen genutzt werden kann.
Zukunftsausblick: Flexibilität und Digitalisierung als Schlüssel zur Kostenreduktion
Bis Ende 2025 soll die Smart-Meter-Quote auf 20 Prozent steigen, bis 2030 sogar auf 95 Prozent. Die Digitalisierung wird die Verbreitung dynamischer Tarife forcieren und einen flexibleren Stromverbrauch fördern. Die Diskussion um die Aufteilung der Strompreiszone für Deutschland wird weitergehen. Alternativ können dynamische Netzentgelte und lokale Flexibilitätsmärkte den regionalen Preisausgleich ermöglichen.
Der Ausbau erneuerbarer Energien schreitet voran, mit dem Ziel eines Anteils von 80 am Strommix bis 2030. Dies wird die Zahl der Stunden mit extrem günstigen oder negativen Börsenpreisen erhöhen und dadurch flexible Verbraucher verstärkt belohnen. Die Sektorkopplung – die Integration von Strom in Wärme, Verkehr und Industrie – wird die Energieversorgung noch komplexer, aber auch flexibler machen.
Fazit: Nutzen Sie Ihre Chancen – starten Sie jetzt Ihre persönliche Energiewende
Die hohen Strompreise sind kein Naturgesetz, sondern folgen aus politischen und infrastrukturellen Versäumnissen. Sie müssen jedoch nicht tatenlos zusehen. Mit modernen Technologien und intelligentem Verbrauch können Sie Ihre Stromkosten um 40 bis 80 Prozent reduzieren, Ihre Unabhängigkeit vom Strommarkt steigern und aktiv zur Energiewende beitragen.
Fordern Sie Ihren Smart Meter an, prüfen Sie dynamische Stromtarife, investieren Sie in Photovoltaik und Energiemanagement und nutzen Sie Batteriespeicher. Unternehmen, die schnell handeln, profitieren doppelt: von Kosteneinsparungen und verbessertem Nachhaltigkeitsimage.
Ihre Energiewende beginnt heute – sowohl für Haushalte als auch für Unternehmen bieten sich vielfältige Möglichkeiten, die Stromkosten zu senken und das Klima zu schonen. Nutzen Sie diese Chancen aktiv!
FAQ – Ihre Fragen – unsere Antworten
Festpreistarife basieren auf langfristigen Beschaffungsverträgen am Terminmarkt, nicht am Day-Ahead-Spotmarkt. Energieversorger kaufen Strom Monate im Voraus zu Durchschnittspreisen ein und kalkulieren Risikoaufschläge ein. Diese Struktur schützt zwar vor Preisexplosionen, verhindert aber auch die Weitergabe günstiger Spotmarktpreise. Nur dynamische Tarife mit stündlicher Preisanpassung geben die realen Börsenpreise direkt an Endkunden weiter. Deshalb können Verbraucher mit Festpreistarifen nicht von den 141 Stunden negativer Strompreise im Juni 2025 profitieren, während dynamische Tarifkunden in diesen Stunden Geld für ihren Verbrauch erhalten.
Redispatch-Kosten entstehen durch die Differenz zwischen günstigem Windstrom im Norden und teurem Ersatzstrom im Süden. Wenn eine Windkraftanlage im Norden mit Gestehungskosten von zwei Cent pro kWh abgeregelt wird, muss ein Gaskraftwerk im Süden mit Grenzkosten von zwölf Cent pro kWh einspringen. Diese Differenz von zehn Cent multipliziert mit der Strommenge ergibt die Redispatch-Kosten. Hinzu kommen Kompensationszahlungen an abgeregelte Anlagenbetreiber, die ihre entgangenen Einnahmen ersetzt bekommen. Diese Kosten werden über die Netzentgelte bundesweit umgelegt – ein Systemfehler, der alle Verbraucher belastet, obwohl das Problem regional entsteht.
Ein professionelles Energiemanagementsystem benötigt mehrere Komponenten: Erstens eine API-Schnittstelle zum dynamischen Tarifanbieter für Echtzeit-Preisdaten. Zweitens Steuerungsprotokolle wie EEBUS, OCPP oder Modbus für die Kommunikation mit Wärmepumpen, Wallboxen und Batteriespeichern. Drittens eine Prognosefunktion für Verbrauchsprofile und PV-Ertrag. Viertens Optimierungsalgorithmen, die unter Berücksichtigung von Komfortkriterien (z.B. gewünschte Ladezeit beim E-Auto) die kostengünstigste Fahrweise berechnen. Moderne Systeme nutzen Machine Learning, um aus historischen Daten zu lernen und Vorhersagen zu verbessern. Die Investition liegt bei 500 bis 2.000 Euro, die Amortisation durch Einsparungen erfolgt innerhalb von ein bis drei Jahren.
PV-Anlagenbesitzer decken tagsüber ihren Eigenverbrauch mit Solarstrom ab, benötigen aber abends und nachts Netzstrom. Mit dynamischem Tarif können sie diese Netzbezüge in günstige Nachtstunden verschieben und statt 35 Cent nur 10 bis 15 Cent zahlen. Bei negativen Strompreisen lädt der Batteriespeicher zusätzlich billiges Netzstrom – der Betreiber wird also dafür bezahlt, seinen Speicher zu füllen. Abends entlädt sich der Speicher und versorgt das Haus mit diesem „negativpreisigen“ Strom. Diese Arbitrage-Strategie erhöht die Rendite der Gesamtanlage deutlich. Ein 10-kWh-Speicher kann so zusätzlich 300 bis 500 Euro pro Jahr erwirtschaften, indem er die Preisdifferenzen zwischen Tag und Nacht nutzt.
Eine Zonenteilung hätte massive Auswirkungen auf bestehende Stromlieferverträge, PPAs und Absicherungsgeschäfte, die auf einer einheitlichen Preiszone basieren. Rechtsunsicherheit über Bestandsschutzregelungen könnte Investitionen in erneuerbare Energien verzögern. Zudem besteht das Risiko strukturell höherer Preise in südlichen Zonen, was politisch schwer durchsetzbar ist. Die Liquidität regionaler Märkte wäre anfangs geringer, was zu höheren Preisschwankungen führen könnte. Internationale Handelsströme würden komplexer. Diese Faktoren erklären, warum trotz wirtschaftlicher Vorteile von 339 Millionen Euro die Politik zögert. Wahrscheinlicher sind Kompromisslösungen wie dynamische Netzentgelte oder lokale Flexibilitätsmärkte.
Es gibt grundzuständige Messstellenbetreiber (gMSB), meist die örtlichen Netzbetreiber, und wettbewerbliche Messstellenbetreiber (wMSB). Die gMSB sind gesetzlich zum Rollout verpflichtet und müssen die 20-Prozent-Quote bis Ende 2025 erreichen. Große gMSB mit über 500.000 Messlokationen haben die Quote bereits erfüllt, kleine mit unter 30.000 Messlokationen liegen bei nur 4,6 Prozent. Die wMSB können Kunden aktiv werben und bieten oft bessere Zusatzleistungen wie erweiterte Visualisierungen oder Integration in Smart-Home-Systeme. Verbraucher haben das Wahlrecht zwischen gMSB und wMSB. Die Preise sind reguliert: maximal 20 Euro pro Jahr für Standardfälle. Wer schnell einen Smart Meter will, sollte wMSB vergleichen, da diese oft kürzere Wartezeiten haben.
Bei gewerblicher PV-Eigenversorgung entfällt seit 2023 die EEG-Umlage auf Eigenverbrauch. Umsatzsteuerlich gibt es seit Januar 2023 eine Nullsteuersatz-Regelung für PV-Anlagen bis 30 kWp auf Wohngebäuden und bis 15 kWp pro Gewerbeeinheit. Bei größeren Gewerbeanlagen ist die Umsatzsteuer relevant: Der Eigenverbrauch gilt als unentgeltliche Wertabgabe und muss mit 19 Prozent versteuert werden, sofern Vorsteuerabzug geltend gemacht wurde. Ertragsteuerlich werden die vermiedenen Strombezugskosten als Vorteil gewertet. Die Abschreibung erfolgt linear über 20 Jahre. Wichtig: Die Stromsteuer entfällt nur bei Eigenverbrauch innerhalb der räumlichen Nähe. Bei Lieferung an andere Unternehmensstandorte wird Stromsteuer fällig, sofern keine Erlaubnis vorliegt.
Industrielle Netzentgelte basieren auf der höchsten registrierten Viertelstunden-Leistungsspitze im Jahr. Ein Batteriespeicher mit Leistungselektronik überwacht permanent die Netzbezugsleistung. Droht eine neue Jahresspitze, entlädt sich der Speicher innerhalb von Millisekunden und reduziert den Netzbezug. Die Entladetiefe wird so berechnet, dass die bisherige Jahresspitze nicht überschritten wird. Kritisch ist die Prognosefähigkeit: Das System muss Lastspitzen voraussehen, um den Speicher rechtzeitig bereitzuhalten. Moderne Systeme nutzen historische Verbrauchsdaten und Produktionspläne. Ein 100-kWh-Speicher mit 50 kW Entladeleistung kann Spitzen um 50 kW reduzieren. Bei Netzentgelten von 15 Cent pro kW und Jahr spart das 7.500 Euro jährlich – bei Investitionskosten von 60.000 bis 80.000 Euro eine Amortisation von acht bis zehn Jahren.
Vehicle-to-Grid (V2G) ermöglicht bidirektionales Laden: Das E-Auto kann nicht nur Strom aufnehmen, sondern auch zurückspeisen. In Kombination mit dynamischen Tarifen lädt das Fahrzeug bei niedrigen Preisen und entlädt bei hohen Preisen ins Hausnetz oder sogar ins öffentliche Netz. Ein 60-kWh-Akku kann bei einer Preisdifferenz von 30 Cent pro kWh theoretisch 18 Euro pro Zyklus erwirtschaften. Praktisch sind 2 bis 3 Zyklen pro Woche möglich, ohne die Batterie übermäßig zu belasten – das ergibt 1.500 bis 2.300 Euro Zusatzerlös jährlich. Regulatorisch ist V2G in Deutschland seit 2023 vereinfacht: Die Rückspeisung gilt nicht als Stromlieferung, solange sie der Eigenversorgung dient. Der Durchbruch steht bevor, sobald mehr Fahrzeugmodelle V2G-fähig sind.
Die EU-Verordnung 2019/943 verpflichtet Mitgliedstaaten, mindestens 70 Prozent ihrer Netzkapazitäten für den grenzüberschreitenden Handel bereitzustellen. Aktuell nutzt Deutschland oft nur 40 bis 50 Prozent, weil interne Engpässe die Kapazität blockieren. Würde Deutschland das 70-Prozent-Ziel erreichen, würde der Grund für eine Zonenaufteilung entfallen. Die Realität: Der Netzausbau hinkt Jahren hinterher. Die EU hat bis Ende 2025 als Deadline gesetzt. Verfehlt Deutschland dieses Ziel, droht die Kommission mit einer erzwungenen Zonenteilung. Die 70-Prozent-Regel soll verhindern, dass nationale Netzprobleme den europäischen Strombinnenmarkt behindern. Sie ist der zentrale Hebel, mit dem Brüssel Druck auf Deutschland ausübt.